Keine Klagen mehr

Nie mehr werden wir uns über die mangelnde Geschwindigkeit von Bauvorhaben der Stadt Köln beklagen. Denn wir sind selbst nicht gerade die schnellsten. 2019 gab es nämlich den Beschluss, unsere Mülltonnen zu umhausen und die Umhausung zu begrünen.

Dann wurde geplant und gedacht, geruht und gerechnet, gewartet, designt und bestellt, gehobelt und geschliffen, gesägt — nein, so schnell ging das doch gar nicht. Vor dem Hobeln wurde erst mal das Gartentürchen um 25 cm versetzt, damit der Weg in den Garten möglichst kurvenfrei ist.

Regenrohrverlegung

Dass diese Aktion so viel Zeit gekostet hat wie der gesamte Bau der Müllumhausung erwähnen wir an dieser Stelle nicht. Denn die Aus- und Neu-Einbetonierung der Gartentürpfosten sowie die Verlegung der Entwässerungsinfrastruktur war ratz fatz erledigt. Und danach wurde gehobelt, gesägt, geschliffen, gestemmt, gefast, gemessen, gebohrt und geschraubt, sodass wir jetzt einen fast fertigen Müllpalast haben. Die Begrünung desselben werden wir demnächst bekanntgeben, voraussichtlich im gleichen Jahr, in dem die grundsanierte Kölner Oper eröffnet wird.

Der noch unbegrünte Müllpalast

Der noch unbegrünte Müllpalast

Semantische Genealogie

Das ist der angeberische Ausdruck für „Woher kommt eigentlich der Ausdruck“. Nein, nicht der Ausdruck „Ausdruck“, sondern der seltsamen Name unserer Straße „Auf dem Stahlseil“. Neulich wurde am Nachbarhaus ein Schild angebracht, das dieses Rätsel löst:

Schild des historischen Pfads Clouth

Schild des historischen Pfads Clouth

Eine Laudatio an die Initiator*innen, denn diese Epiphanie der semantischen Genealogie hilft uns, den genius loci unserer Heimat erst richtig … ach Quatsch: Einfach DANKE!

Spieglein, Spieglein

Manchmal muss man sich ganz bewusst selbst im Spiegel betrachten um die grauen Haare zu entdecken, die man in der Alltagshektik oft übersieht. Damit endet aber auch schon die Tragweite des Vergleichs zu dem, was wir uns neulich als Gemeinschaft gegönnt haben. Denn im Unterschied zum grauen Haar kann man etwas gegen unhinterfragte, evtl. auch überkommene Routinen unternehmen – sofern man sie als überdenkenswert erkannt hat.

Genau das war Zweck unseres neulichen Reflektionstages, bei dem wir uns tief in die Augen gesehen haben und auch Dinge ausgesprochen haben, die man im Alltag gern mal unter den Teppich kehrt. Angeleitet von zwei externen Moderator*innen haben wir beispielsweise eine Ahnung davon entwickelt, dass sich unsere monatlichen „Wunschversammlungen“ vielleicht anregender gestalten lassen; oder dass sich unser Konsensverfahren vielleicht pragmatischer handhaben lässt. Zu beiden Themen wurden kleinere Gruppen gebildet, die konkrete Verbesserungsvorschäge erarbeiten sollen. Mal sehen, was demnächst dabei heraus kommt.

Und im Herbst wollen wir uns nochmal eine ähnliche Auszeit nehmen, um gemeinsam zu überprüfen, worin denn unsere gemeinsamen Werte und unsere gemeinsame Identität bestehen und was das konkret bedeuten soll. Wir sind ja ursprünglich beim Konzeptvergabeverfahren um unsere Grundstück mit einer schriftlichen Vision angetreten und alle Wunschnachbarn haben diese in vollem Bewusstsein unterschrieben. Im Herbst wollen wir mal in den Spiegel schauen und selbstkritisch reflektieren, ob uns diese Vision noch als Gemeinschaft trägt – ob wir sie erweitern können oder reduzieren müssen oder … Wir werden berichten.

Die Wunschnachbarn auf dem Reflektionstag

Die Wunschnachbarn auf dem Reflektionstag

Optimismus für die Ukraine

Sehr viel Optimismus für die und aus der Ukraine brachte neulich ein Gruppe von Besucher*innen mit, die sich für unser (Passiv-) Haus, unsere Gemeinschaft und ihre Entstehungsgeschichte, unser Energiekonzept, die offene Werkstatt und das Repair Café interessierten.

Organisiert wurde das von der wechange eG aus Berlin, die u.a. die „Karte von morgen“ pflegt, auf der auch die Wunschnachbarn eingetragen sind. So wurden wir auch gefunden und für einen Besuch im Rahmen des Projekts „Civil Society Energy Ukraine“ angefragt, das vom Auswärtigen Amt unterstützt wird. Ziel ist es, Nachhaltigkeit in der Ukraine durch professionelles und bürgerschaftliches Engagement zu fördern.

Im Rahmen des Projektes können über 100 ukrainische Architekt*innen, Ingenieur*innen, Energieberater*innen und Studierende an Schulungen teilnehmen. Fünfzehn davon konnten im November / Dezember in Berlin und Köln Praxisbeispiele besichtigen, um über zukunftsfähige Energielösungen und nachhaltiges Bauen zu lernen und um mit diesen Erfahrungen ähnliche Vorhaben in der Ukraine zu initiieren … sobald das möglich ist.

In der Anfrage hieß es: „Wir wären sehr dankbar, wenn ein Besuch … zustandekommen könnte. Dies würde unseren Teilnehmern ein Stückchen Mut und Inspiration für ihren Kampf um die Freiheit und westliche Werte verleihen.“ Selten haben wir mit mehr Enthusiasmus geantwortet.

Gruppenfoto unserer ukrainischen Besucher*innen (mit zwei Wunschnachbarn im Hintergrund)

Unsere ukrainischen Besucher*innen (mit zwei Wunschnachbarn)

Eiszeit

Knackig kalt wars in den letzten Tagen. Anfangs freute man sich noch über die Eisschicht im Wasserbottich – kommt ja reichlich selten vor – aber irgenwann mochte einem die Überlegung kommen, dass Eis sich ja ausdehnt und eine gehörige Sprenkraft entwickeln kann; dem Eis ist es dabei egal, dass es möglicherweise den Bottich der Wunschnachbarn sprengt. Also Meisel und Hammer aus der Werkstatt holen, Handschuhe anziehen und den Bottich retten. Das Ergebnis sah so aus:

Mehrere Zentimeter dicke Eis-Schicht

Mehrere Zentimeter dicke Eis-Schicht

Apropos Eiszeit: Wer weiß, um wieviel Grad war es während der letzten Eiszeit im Durchschnitt kälter als heute? Laut „Spektrum der Wissenschaft“ 6 Grad Celsius. In diesem Kontext wirkt es doch reichlich gruselig, dass wir uns aktuell auf einem Pfad zu einer globalen Klimaerwärmung um 3 Grad Celsius befinden. Also nicht einfach nur ein bisschen kuscheliger.

Apropos kuschelig: Dank unseres Passivhauses haben es angeblich einige Wunschnachbarn geschafft, bis Mitte Dezember nicht zu heizen.

Fünf neue Freunde

Fünf neue Freunde werden uns hinforten in unserem Gemeinschaftsgarten begleiten. Sie haben zwar komische Namen wie Malus nochwas oder Acer sonstwie – wahrscheinlich sind sie Immis. Aber egal, wir sind ja tolerant. Außerdem haben sie versprochen, dass sie uns in zukünftigen Sommern Schatten und Verdunstungskühle spenden werden. Als Gegenleistung verlangen sie allerdings regelmäßige Drinks in Form eines chemischen Cocktails aus Wasserstoff und Sauerstoff. Noch sind sie etwas kahl – aber anders als bei männlichen Vertretern des homo (angeblich) sapiens wechseln sie ihren Kopfschmuck regelmäßig. Man munkelt, sie würden jeden Herbst sogar mit Farbpigmenten hantieren. Tja, die jungen Leute von heute.

Neue Bäume im Garten, vom Balkon im 3. OG gesehen

Neue Bäume im Garten

Gruß an Matthias Claudius

Wer kennt es nicht, das berühmte Gedicht von Matthias Claudius (1740 – 1815):

Der Mond ist aufgegangen,

die goldnen Sternlein prangen

am Himmel hell und klar;

der Wald steht schwarz und schweiget,

und aus den Wiesen steiget

der weiße Nebel wunderbar.

Neulich im Park um die Ecke schien es als wollten die Bäume ihren Ruf als farblos schwarz abschütteln. Der Mond und die Sternlein waren auch nicht da und der Nebel war schon fast verschwunden. Vielleicht braucht Matthias Claudius mal Nachhilfe im Johannes Giesberts Park.

Der Herbstwald steht bunt ...

Der Herbstwald steht bunt …

Gassenessen

Jetzt wohnen wir schon gut fünf Jahre hier und kennen noch immer nicht die Schuhgröße, Lieblingsfarbe und Jugendliebe von allen Nachbar*innen, die an unserer Gasse wohnen. Obwohl wir eigentlich tolerante Leute sind, das konnten wir nicht länger tolerieren. Dank der beherzten Organisationsinitiative weniger Schlüsselpersonen gelang es mit erfreulich wenig Vorlaufzeit, am 16. Oktober 2022 eine hübsche Zahl von Gassenbewohner*innen zu einem gemeinsamen Essen zusammenzutrommeln. Jeder brachte seinen Stuhl und etwas zu Essen mit und suchte sich eine*n bisher wenig bekannte*n Nachbar*in als Tischnachbar*in aus, um biographische oder sonstige Details zu erfahren. Manchmal war es auch einfach nur der Name, damit man das bekannte Gesicht auf dem Weg zu den Mülltonnen hinfortern auch namentlich begrüßen kann.

Fröhliche Gesellschaft beim Gassenessen

Fröhliche Gesellschaft beim Gassenessen

Unsere Metamorphose

Nun ja, biologisch ist der Begriff Metamorphose nicht ganz richtig, aber so etwas ähnliches ist es doch wenn man sein Exoskelett abstösst und hinforten auf die Stabilität seines betonierten Kerns um den Aufzugsschacht vertrauen muss. Aufmerksame Beobachter haben vielleicht bemerkt, dass unsere Nordwand monatelang (oder waren es Jahre?) von einem Gerüst gestützt war. Oder hat das Haus das Gerüst gestützt?

Mit Exoskelet

Mit Exoskelet

Soweit man sich überhaupt erinnern kann, begann alles mit einem feuchten Fleck an der Wand. Schnell wurde das innenliegende Regenrohr verdächtigt, die verantwortliche Firma erfand aber alternative Theorien … viele hunderte Gespräche später, nach Gutachten und Gegengutachten, dem Studium von Versicherungspolicen, anwaltlichen Schreiben und mehreren Kilogramm Nervenleichen ist die Schadensursache endlich behoben, das Mauerwerk wieder geschlossen und mit Originalfassadenfarbe überstrichen. Was lernt man daraus: Finger weg vom innenliegenden Regenrohr und/oder von schlampig arbeitenden Firmen.

Ohne Exoskelet

Ohne Exoskelett